Begriffsgeschichte
Die Internetrecherche zum Begriff „Schulentwicklung“ ergibt über 5.240.000 Ergebnisse. Eine eindeutige Definition scheint schwierig, denn der Begriff wird, wie Hans-Günter Rolff es ausdrückt, „populär wie inflationär“ (Rolff, 2016, S.11) verwendet.
Im deutschsprachigen Raum steht die Entstehungsgeschichte des Begriffs „Schulentwicklung“ eng in Verbindung mit zwei Institutsgründungen in den 1970er Jahren: 1971 lässt das österreichische Bundesministerium für Bildung und Unterricht das „Zentrum für Schulversuche und Schulentwicklung“ in Klagenfurt eröffnen. 1972 folgt die Errichtung einer Arbeitsstelle für Schulentwicklung an der Pädagogischen Hochschule Ruhr, heute bekannt als IFS – „Institut für Schulentwicklungsforschung“ der Universität Dortmund.
Das Begriffsverständnis hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Zunächst steht die Schulentwicklungsplanung (äußere Gegebenheiten, z. B. Standort- oder Bauplanung) sowie die Beschäftigung mit dem Schulsystem an sich im Zentrum der Auseinandersetzung mit Schulentwicklung.
Im ersten Jahrbuch für Schulentwicklung (1980) erläutern H.-G. Rolff und K.-J. Tillmann erstmals genauer, womit sich die Schulentwicklungsforschung befasst (vgl. Zitat). Hierbei benennen sie drei zentrale Bezugstheorien: die Curriculumtheorie, die Sozialisationstheorie und die Institutionsanalyse.
Die 1990er Jahre erscheinen als „Goldene[s] Jahrzehnt der Schulentwicklung“ (Rolff, 2019, S. 12). Der Blick richtet sich nicht mehr vorrangig auf das Gesamtsystem Schule im Sinne von Organisationsprozessen, sondern auf die Einzelschule als „Handlungs- und Gestaltungseinheit“ (Fend, 1986). Sie, d. h. die Schulgemeinschaft, ist der „Motor der Schulentwicklung“ (Dalin/Rolff, 1990), die im Idealfall aus eigener Initiative heraus Schulentwicklung initiiert. Dazu gehören neben der Organisationsentwicklung nun auch im Wesentlichen die Unterrichts- sowie die Personalentwicklung (siehe Schulentwicklungsmodelle). Gesellschafts- sowie bildungspolitische Rahmenbedingungen werden dabei jedoch nicht außer Acht gelassen, da sie als „konstituierende Merkmale“ (Maag Merki/Werner, 2013, S. 296) für Schule und damit auch für die Schulentwicklungsarbeit gelten. Im Zentrum aller Schulentwicklungsarbeit oder vielmehr als „das ultimative Ziel“, wie Rolff es formuliert, sollte dabei immer die Verbesserung „d[er] Lernangelegenheiten der Schülerinnen und Schüler“ sein (siehe hier).
Damit kann Schulentwicklung als die von den Mitgliedern einer Schulgemeinschaft bewusste, zielgerichtete, systematische, reflektierte und fortlaufende Weiterentwicklung von Schule im Hinblick auf „Unterricht, den Lebensraum Klasse, die Umfeldbeziehungen und Partnerschaften, das Schulmanagement und nicht zuletzt die Personalentwicklung“ (Rolff, 1999, S. 27) bezeichnet werden. Eine wichtige Ergänzung in der Definition macht Bohl, der Schulentwicklung als ebenfalls bewusste und systematische, „jedoch nicht zwingend linear oder stufenartige verlaufende Entwicklung der Einzelschule als lernende Organisation im Systemzusammenhang“ (Bohl, 2009, S. 553) beschreibt.
Dieses Grundverständnis, das sich in verschiedenen Schulentwicklungsmodellen widerspiegelt (siehe Schulentwicklungsmodelle), prägt die Schulentwicklungsarbeit bis heute. Im Zentrum steht weiterhin die Einzelschule, jedoch ist aktuell auch der Blick über den Tellerrand hinaus, auf das Schulnetzwerk sowie die eigene Bildungsregion, von Bedeutung (vgl. Dedering, K., 2012, S.7).
„Schulentwicklungsforschung analysiert und beschreibt die jüngere Entwicklung des bundesdeutschen Schulwesens, um auf diese Weise zu empirisch abgesicherten Erklärungen über diesen Entwicklungsabschnitt zu gelangen, die auch realistischere Prognosen künftiger Entwicklungen erlauben, einen Beitrag zur Ausfüllung einer Theorie der Schule zu leisten, die auf Erklärung des Implikationsverhältnisses von Schule und Gesellschaft ausgerichtet ist.
Wir begreifen das Schulsystem in seiner Genese und Gestalt zugleich als gesellschaftlich-historisch strukturiert wie auch als handelnd-veränderbar.“