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Das lernende Schulsystem

Was macht ein lernendes Schulsystem aus? Prof. Dr. Anne Sliwka und Prof. Dr. Britta Klopsch gehen dieser Frage nach und beschreiben, wie ein Paradigmenwechsel in der Bildung aussehen könnte. 

Ausgegangen wird dabei von der Notwendigkeit einer grundlegenden Neuausrichtung des Schulsystems, um es zu einer lernenden Organisation zu machen. Dies beinhaltet die Entwicklung eines unterstützenden und anpassungsfähigen Umfelds, das sowohl Lehrkräfte als auch Schülerinnen und Schüler dazu ermutigt, gemeinsam zu wachsen und zu lernen. Übergeordnete Zielsetzung: Das veraltete Schulsystem muss in ein lernendes Schulsystem weiterentwickelt/gewandelt werden! 

„Es geht nicht darum, schnelle und temporäre Lösungen zu finden, sondern darum, Schulsysteme so zu gestalten, dass sie dauerhaft widerstands- und lernfähig werden.“ (Sliwka/Klopsch, 2024, S. 22)

Drei Zielrichtungen sollten dabei für ein nachhaltiges Schulsystem berücksichtigt werden (vgl. Sliwka/Kopsch, 2024, S. 52): 

  • Leistungs- und Kompetenzentwicklung: Im Fokus steht ein Erreichen möglichst hoher Bildungsstandards.
  • Chancengerechtigkeit: Im Fokus steht die aktive Teilnahme an der Gesellschaft sowie ein selbstständiges Leben in ökonomischer, kultureller und sozialer Hinsicht.
  • Wohlbefinden und Persönlichkeitsentwicklung: Im Fokus stehen psychosoziale Aspekte der Bildungserfahrung, die Stärkung der Resilienz, das Entwickeln von Interessen. 

Verbindendes Element ist dabei der „ethische Imperativ“ (Fullan, 2020, S. 47). Dieser setzt das Wohlergehen und den Erfolg des einzelnen Kindes ins Zentrum eines Bildungswesens, das besser werden will. 

 

Zusammengefasst spielen u. a. folgende Aspekte für den angesprochenen Paradigmenwechsel eine Rolle:

Der Schulleitung kommt in einem lernenden Schulsystem eine besondere Bedeutung zu. Schulleitungen als Führungspersönlichkeiten sollen nicht nur administrative Aufgaben übernehmen müssen, sondern auch als Visionäre fungieren. 

Ihre Fähigkeit, eine Kultur des gemeinsamen Lernens zu fördern, ist essenziell. Sie sollten Raum für Kooperation und Innovation schaffen und die Professionalität der Lehrkräfte unterstützen. Effektive Schulleitungen setzen klare Ziele und pflegen eine transparente Kommunikation, um das gesamte Schulteam zu motivieren und zu inspirieren. Indem sie die Lehrkräfte in Entscheidungsprozesse einbeziehen, stärken sie das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Verantwortung innerhalb der Schule. Insgesamt wird die Notwendigkeit hervorgehoben, dass Schulleitungen als Vorbilder agieren und ständig an ihrer eigenen Weiterbildung arbeiten.

Die Lehrerbildung ist fundamentale Voraussetzung für ein lernendes Schulsystem. Praktische Erfahrungen in Schulen sollten ein integraler Bestandteil der Lehrerausbildung sein, um angehenden Lehrkräften zu helfen, reale Herausforderungen zu verstehen und innovative Unterrichtsmethoden zu entwickeln. Zudem wird die Notwendigkeit der kontinuierlichen Fortbildung von Lehrkräften betont. Diese sollte nicht als separate Maßnahme, sondern als kontinuierlicher Prozess betrachtet werden, in dem Kollegen voneinander lernen und sich weiterentwickeln. Die Autorin hebt hervor, dass die Entwicklung von Fachkompetenzen und sozialen Fähigkeiten gleichermaßen wichtig ist, um Lehrkräfte für die komplexen Anforderungen des modernen Unterrichts zu rüsten.

In einer positiven und unterstützenden Lernumgebung nehmen die Schüler aktiv an ihrem Lernprozess teil. Eine solche Kultur fördert das Engagement, die Motivation und unterstützt die Entwicklung von Selbstständigkeit und Verantwortungsbewusstsein. Kooperatives Lernen, projektbasierte Methoden und die Nutzung digitaler Medien werden als zentrale Elemente hervorgehoben. Durch die Förderung von Diskussionen, Reflexion und kritischem Denken können Schülerinnen und Schüler ihre eigenen Lernprozesse gestalten und lernen, Verantwortung für ihre Ergebnisse zu übernehmen.

Teamarbeit und Kollaboration sind für ein lernendes Schulsystem zentral. Lehrkräfte als Teil eines Teams können effektiver arbeiten und voneinander lernen. Um dies zu ermöglichen, sollten Schulen Strukturen schaffen, die den Austausch und die Zusammenarbeit fördern, zum Beispiel durch regelmäßig stattfindende Teamsitzungen und gemeinsame Planungszeit. Sliwka/Klopsch betonen, dass ein kooperativer Ansatz auch positive Effekte auf die Schülerinnen und Schüler hat, da sie von den unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen der Lehrkräfte profitieren können. Das Konzept des „Lernens von einander“ gilt nicht nur für Lehrkräfte, sondern auch für Schüler. Kollaboration sollte daher als zentraler Bestandteil der Schulentwicklung verankert werden.

Konstruktive Evaluation dient nicht nur der Messung von Lernergebnissen, sondern sollte auch als Werkzeug zur kontinuierlichen Verbesserung des Schulsystems eingesetzt werden. Formative Bewertungsverfahren, die Feedback für Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler bieten, und Lernprozesse transparent machen, sind anzustreben. Zudem wird die Einbeziehung verschiedener Akteure, wie Eltern, Erziehungsberechtigte und Schülerschaft als wichtig erachtet, um ein umfassendes Bild von Qualität zu erhalten. Eine Kultur der Offenheit und des gegenseitigen Lernens dabei hilft, das Feedback sinnvoll zu nutzen und gezielte Maßnahmen zur Weiterentwicklung zu ergreifen. Letztlich sollte Evaluation als eine Chance zur Reflexion und Verbesserung gesehen werden.

Die Rolle von Eltern/Erziehungsberechtigten und der Gemeinschaft für ein lernendes Schulsystem ist bedeutsam. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus ist wesentlich für den Bildungserfolg der Schülerinnen und Schüler. Eltern sollten aktiv in den Bildungsprozess einbezogen werden, indem Schulen regelmäßige Informations- und Austauschformate anbieten. Außerdem bietet die Einbindung von Gemeinschaftsressourcen, wie Educational Partners und lokale Institutionen, wertvolle Unterstützung. Diese Beziehungen erweitern die Bildungsangebote und schaffen ein unterstützendes Netzwerk für Schülerinnen und Schüler. Eine solche Zusammenarbeit stärkt das Vertrauen in die Schule und sorgt für ein ganzheitliches Lernumfeld.

Digitale Technologien dienen nicht nur als Werkzeuge, sondern werden als integraler Bestandteil des Lernens betrachtet . Digitale Kompetenzen sowohl bei Schülerinnen und Schülern als auch bei Lehrkräften sind zu fördern. Der bloße Einsatz von Technologie ohne didaktische Konzepte wird das Lernen allerding nicht verbessert. Die Entwicklung von Lernumgebungen, die sowohl Präsenz- als auch Online-Elemente kombinieren und eine persönliche Interaktion sowie individuelle Lernwege ermöglichen gelten als erfolgsversprechend. Die Schule sollte als Ort des Experimentierens mit neuen Medien verstanden werden, um die Kinder und Jugendlichen auf die Herausforderungen einer digitalisierten Welt vorzubereiten.

 

Die Zukunft des Lernenden Schulsystems liegt in einer tiefgreifenden Transformation der bestehenden Strukturen, um das Lernen im 21. Jahrhundert zu reflektieren. Bildungsziele gilt es neu zu definieren, um nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch die Entfaltung von sozialen und emotionalen Kompetenzen zu fördern. Dabei sollten Schulen als adaptive Organisationen verstanden werden, die Innovationsprozesse vorantreiben. Austausch und Zusammenarbeit, um voneinander zu lernen und Good bzw. Best Practices zu entwickeln, ist hierbei eine Grundlage.
 

 

Podcast: Episode 96 – Das lernende Schulsystem, vIm Gespräch mit Prof. Dr. Anne Sliwka über ihr gleichnamiges Buch und die darin zusammengetragenen Ideen und Forschungsergebnisse zum Thema Schule und Schulentwicklung. 

Abrufbar unter: https://kritisches-denken-podcast.de/episode-96-das-lernende-schulsystem/ 

 

Literaturhinweis:

Fullan, M. (2020): Leading in a culture of change. (2nd ed.). Hoboken. NJ: Jossey-Bass.

Sliwka, A./Klopsch, B. (2024): Das lernende Schulsystem. Paradigmenwechsel in der Bildung. Weinheim Basel. Beltz Verlag.