Was bringt Individualfeedback?
Geht der Nutzen von IF nicht schon aus der soeben erfolgten Begründung von IF hervor? Ja und zugleich nein: Denn die Durchführung von IF bringt für verschiedene Seiten des Prozesses viele gewinnbringende Aspekte mit sich, die über die begründete Notwendigkeit für den FN hinausgehen.
Bei der anschließenden Beschreibung der nützlichen Auswirkungen von IF wird folgende Differenzierung vorgenommen: Entweder ist der FG ein externer Beobachter; dies ist bei der kollegialen Hospitation der Fall sowie in seltenen Fällen von Führungskräftefeedback, wenn eine Konferenz oder eine Sitzung beobachtet wird. Oder der FG ist zugleich Adressat des FN-Handelns, was für das Schülerfeedback und in der Regel für das Führungskräftefeedback zutrifft.
Welchen Nutzen hat IF für den Feedbacknehmer, für die in Frage stehende Sache, für die Beziehung zwischen Feedbacknehmer und Feedbackgeber und für den Feedbackgeber?
Man sieht, dass die zahlreichen, vielfältigen Nutzenaspekte deutlich über den Anlass und die Begründung von IF hinausgehen. Die Vorteile für den zunehmend professionell agierenden FN führen zu einer Qualitätsverbesserung des Unterrichts bzw. des Führungshandelns. Auch viele Nutzenaspekte für den FG und die Beziehung zwischen FN und FG wirken sich mittelbar auf die Sache aus, wenn der FG als Adressat des FN-Handelns daran beteiligt ist.
Die Vielfalt der Nutzenaspekte zeigt das große Potenzial von Individualfeedback. Damit es zur Entfaltung kommen kann, muss Individualfeedback kompetent durchgeführt werden.
Was bringt iF für den Feedbacknehmer?
- IF erweitert die Selbstwahrnehmung um die Fremdwahrnehmung und beleuchtet den sog. „Blinden Fleck“, sodass er ein realistischeres Bild seines Handelns gewinnt.
- Er kann die Wirkung seines Handelns besser überprüfen, indem er die beabsichtigten und die unbeabsichtigten Effekte leichter erkennt.
- Gerade wenn Ziele und Wirkungen des Handelns divergieren, hilft IF, diese besser in Übereinstimmung zu bringen und damit wirksamer zu agieren.
- Der FN kann durch IF Bestätigung finden und Wertschätzung erfahren, sodass seine Zufriedenheit erhöht und seine Motivation gesteigert wird.
- Orientiert sich das IF an Qualitätskriterien für diesen Handlungsbereich (z. B. an Kriterien guten Unterrichts), kann es dem FN helfen, sich im Sinne einer Selbstevaluation zu verorten – sofern die Kriterien vom FG auch eingeschätzt werden können.
- Ist der FG der Adressat des FN-Handelns, so wächst beim FN durch regelmäßiges IF die Sensibilität für die Wahrnehmung und die Bedürfnisse des Gegenübers.
- IF dient insgesamt der beruflichen Weiterentwicklung und Professionalisierung des FN.[1]
[1] Bei der Evaluation von QmbS gaben fast alle befragten Lehrkräfte an, dass sie IF als Anstoß für die persönliche Weiterentwicklung nutzen (Magister & Schaal, 2017, S. 234).
Was bringt IF für die Sache?
- Der Sache dienliche Handlungs- und Verfahrensweisen werden vom FN beibehalten oder weiter ausgebaut, wenn positive Rückmeldungen ihn dazu bestärken und ermutigen.
- In Bereichen mit Verbesserungspotenzial werden wertvolle Impulse für Handlungsalternativen gegeben.
- Veränderungsziele führen über die Umsetzung von Verbesserungsmöglichkeiten zu einer Qualitätserhöhung des Leitungshandelns und damit des Unterrichts.[1]
[1] In der Forschung wird dem Schülerfeedback ein hoher Stellenwert für die Schul- und Unterrichtsentwicklung zugeschrieben (Helmke, 2012, S. 284 mit Verweis auf weitere Literatur). Bei der Evaluation von QmbS gaben fast alle befragten Lehrkräfte an, dass sich das IF auf ihr unterrichtliches Handeln auswirkt (Magister & Schaal, 2017, S. 234).
Was bringt IF für die Beziehung zwischen Feedbacknehmer und Feedbackgeber?
wenn der FG zugleich Adressat des FN-Handelns ist (wie beim Schülerfeedback, häufig auch beim Führungskräftefeedback):
- Indem die Beteiligten sich des gemeinsamen Arbeitsprozesses bewusst werden und sich gemeinsam um eine Qualitätsverbesserung bemühen, wird ihre Verbundenheit gestärkt.
- Die Offenheit und der Vertrauensvorschuss des FN beim Einholen des Feedbacks sowie das Vertrauen des FG auf wohlwollende Aufnahme der Rückmeldungen und der Verbesserungsvorschläge vertiefen die Beziehung zwischen den Beteiligten.
- Das hierarchisch geprägte Verhältnis beim Schülerfeedback und beim Führungskräftefeedback wird aufgebrochen und es findet eine Kommunikation auf einer anderen Ebene statt.
- IF mit nachfolgenden Veränderungen im Handeln wirkt sich insgesamt sehr positiv auf die Beziehung zwischen FN und FG aus.
wenn der FG Beobachter des FN-Handelns ist (wie bei der kollegialen Hospitation, selten beim Führungskräftefeedback):
- Der durch das IF in Gang gesetzte Austausch über die Sache bereichert die Feedbackpartner inhaltlich.
- Deren Beziehung wird vertieft.
- Eine weitere Zusammenarbeit auch außerhalb des IF-Kontexts kann angeregt werden.
Was bringt IF für den Feedbackgeber?
wenn der FG zugleich Adressat des FN-Handelns ist (z. B. beim Schülerfeedback):
- Der FG kann Einfluss auf die Gestaltung des gemeinsamen Prozesses zu nehmen. Dies erhöht seine Motivation, sich einzubringen. Nach der Sensibilisierung des FN für die Wahrnehmung und die Bedürfnisse des FG werden diese Bedürfnisse künftig stärkere Berücksichtigung finden.
- Das Geben von Rückmeldungen setzt beim FG selbst einen Reflexionsprozess in Gang, bei dem die eigene Rolle und das eigene Verhalten überdacht werden und mehr Verständnis für das Handeln des FN geweckt werden.
- Die Mitverantwortung des FG am Gelingen der gemeinsamen Sache wird gestärkt; so werden Lernende mitverantwortlih für erfolgreichen Unterricht.
- Das Schülerfeedback fördert auch die sozialen Kompetenzen der Schüler: die Meinungsbildung, das sachliche Äußern von Meinungen, die Toleranz gegenüber anderen Meinungen und die damit einhergehende Relativierung der eigenen Sichtweise.
wenn der FG Beobachter des FN-Handelns ist (z. B. bei kollegialer Hospitation):
- Der FG schärft seine Beobachtungsgabe und gewinnt Erkenntnisse über mögliche Zusammenhänge zwischen Handeln und Wirkung.
- Aus dem Handeln des FN erhält er Anregungen für sein eigenes Handeln in dieser Rolle.